Do. Nov 21st, 2024
Foto Credit: Kai Swillus

Unsere Redakteurin Sylvi hat am vergangenen Freitagabend mit Herman Frank ein interessantes Interview über sein neues Album “Two For A Lie” geführt, das am 21. Mai über AFM Records erscheinen wird.


MM: Zuerst einmal vielen Dank, dass du dir heute die Zeit nimmst für´s Interview. Wir haben ja auch einen guten Grund heute miteinander zu sprechen, denn du wirst die Welt sehr bald mit deinem neuen Album „Two For A Lie“ beschenken.

Herman: Ja, das finde ich prima!

MM: Sehr gut. Am 21. Mai ist Releasetermin und wir fangen diesbezüglich jetzt einfach mal ganz locker an. Wie geht’s dir denn so kurz vor der Veröffentlichung deines neuen Albums?

Herman: Man ist natürlich immer ´n bisschen aufgeregt, weil man sich fragt „wie wird die Welt das Album annehmen?“ Aber bis jetzt sind die Kritiken wirklich wunderbar, besser kann´s nicht sein. Wir haben heute das Video veröffentlicht von „Teutonic Order“ und vor ein paar Wochen die Lyrikvideos von „Eye Of The Storm“ und „Venom“. So far, so good. Also bis jetzt ist alles ok.

MM: Hast du denn vorab sowas wie eine Erwartungshaltung, wenn du in die Produktion startest? Also hast du zu Beginn eine grobe Vorstellung vom Endergebnis deines Albums oder würdest du eher sagen, dass es sich mit der Zeit entwickelt und dann zu dem wird, was es jetzt geworden ist?

Herman: Es ist so: Es ist ja nicht das erste Album, was ich mache. Und da glaube ich, es liegt einfach in der DNA oder an dem Wesen an sich, sodass es einfach ein Rock / Metal Album werden wird. Davon geht man aus und ich möchte auch nicht in irgendeine andere Richtung komponieren. Also ich geh´ jetzt nicht hin und sag´ „ich denk´ mir ein ganz tolles Konzept aus“.

MM: Also ganz stilgetreu aus dem Herzen raus, sozusagen?

Herman: Ich glaube es ist immer das Beste, wenn man aus dem Innersten heraus anfängt und es sich dann, wie du schon sagst, im Laufe der Zeit ergibt. Und ich glaube es ist klar, dass, wenn Herman Frank draufsteht, dann auch jeder grüne Gummistiefel erwartet, als wenn man jetzt ´ne andere Farbe wählen würde. Kann ich nicht, möchte ich auch nicht. Dann müsste ich ´n anderes Projekt machen und müsste halt irgendwie versuchen eine andere Art von Musik zu komponieren. Werde ich aber, glaub ich, nicht machen in der nächsten Zeit.

MM: Es läuft ja auch super, also von daher ist sowieso alles gut. Beim Songwriting hat ja jeder Musiker seine ganz eigene Herangehensweise. Erzähl uns doch bitte, wie du diese Phase angehst, wenn du anfängst an neuem Material zu arbeiten.

Herman: Es fängt eigentlich damit an: Es tauchen immer mal wieder ´n paar catchy Riffs auf. Morgens übe ich halt ´n bisschen Gitarre bei mir Zuhause…

MM: …Du übst noch nach so langer Zeit?

Herman: Ja, muss man doch. Leider übe ich viel zu wenig. Ich wollte, ich hätte noch die Energie wie früher. Vor 20 Jahren hat man ganz viel geübt. Mit der Zeit wird’s weniger. Ich wollte, ich hätte noch die Energie wie früher, aber es ist alles noch ok – meine Finger bewegen sich noch.

Und dann spielt man so vor sich hin und urplötzlich spielt man ein bestimmtes Riff und denkt sich „das fänd´ ich ganz geil für´n Song. Das könnte was ganz gutes werden“. Ich greife dann immer ganz schnell zum iPhone für ´ne Sprachmemo und nehme das dann auf. Und wenn ich dann in meinem Studio bin, dann probt man das mal und versucht dann halt an dem Ding rumzubasteln.

Und dann fängt die blöde Zeit an, weil dann ist es sehr viel Fleiß und Dranbleiben und nicht Aufgeben… Vielfaches wegwerfen und wieder von neuem anfangen ist da das ganz normale hin und her. Das ist die miese Phase beim Album. Wenn man dann schon mal 4, 5, 6 Songs hat, dann wird’s leichter.

MM: Das ist ja interessant zu hören.

Herman: Ja, dann ist es wohl so, dass da vielleicht der Knoten platzt und ich empfinde es dann als einfacher, da dann schon ein gewisses Bild vom neuen Album da ist und die Angst, die man vor jedem Album hat „Kriegt man 10 Songs oder 15 Songs hin? Passen die? Ist es in demselben Stil? Verdient es die Trademark Herman Frank oder nicht?“ verschwindet dann. Es wird dann auch viel wieder weggeworfen. Und ich mach´s mittlerweile so: Es sind ja nicht nur die 10 Songs, die man komponiert, es sind schon ein paar mehr. Und die, die ich dann nicht verwende, die werden komplett wieder gelöscht.

MM: Und die kommen dann auch nicht auf´s Folgealbum oder so? Die sind dann endgültig raus?

Herman: Ja, ich mach es seit ein paar Jahren so, dass ich die dann einfach lösche. Und wenn ich nach 2 – 3 Jahren ein neues Album anfange und die dann immer noch in meinem Kopf sind und ich mich noch daran erinnere, dann sind sie gut genug.

MM: Das ist ja auch mal ´ne coole Strategie. Um jetzt das neue Album etwas mehr in den Fokus zu rücken: Der Titel „Two For A Lie“, wie ist der entstanden?

Herman: Das Schwierigste beim Album ist nicht die Lieder zu schreiben, das Schwierige ist ´n Albumtitel zu finden. Das ist viel, viel schlimmer. Also ich bin nicht im Club der Toten Dichter, sonst würde es mir vielleicht ´n bisschen leichter fallen. Die Story dahinter ist folgende: Es gibt ´n Song „Venom“ auf dem Album – da habe ich die Mucke an Rick geschickt mit der Info „so stell´ ich mir das ungefähr vor, wie du es singst“ und er singt was drauf. In Schweden macht er das immer, in seinem kleinen, eigenen Studio und hat anscheinend nicht richtig abgemischt oder nicht ganz so deutlich gesungen und dann kam das Material zurück. „Truth for a lie“ hat er gesungen und ich habe wirklich „Two For A Lie“ verstanden. Und ich dachte „Two For A Lie“, das ist das Album- das passt in die Zeit. Das hätte man vor 1000 Jahren rausbringen können, weil sich dieser Titel natürlich durch unsere gesamte Geschichte zieht. Zwei Menschen und schon hast du die Chance zu lügen und ich hasse Lügner. Und in derselben Sekunde hatte ich auch dieses Bild vor Augen für das Cover: Zwei Leute schreien sich an, der eine lügt offensichtlich und der andere brüllt den an und steht halt nicht drauf. Und das ist eigentlich der entscheidende Moment gewesen. Dann ist man natürlich froh, dass man ein Albumcover hat, das auch noch zu dem Titel passt. Und man hat einen Albumtitel.

Also ich würde lieber 10 Alben schreiben als einen Albumtitel.

MM: Wahnsinn. Als Außenstehender würde man überhaupt nicht denken, dass sich die Titelfindung so schwierig gestaltet.

Herman: Die Erwartungshaltung ist wahrscheinlich extrem groß und jeder Interviewpartner fragt mich „Was steckt denn hinter „Two For A Lie“? Am liebsten würde ich sagen: „Es klingt einfach gut“.

MM: Naja, das ist dann noch ein netter Nebeneffekt. Und es ist ja auch das erste Mal, dass du selber auf dem Cover mit drauf bist…

Herman: Man hat mich überredet. Ich war jung und brauchte das Geld. Playgirl wollte keine Fotos von mir, also musste ich auf das Cover. Nee, Spaß beiseite. Kai Swillus, der das Artwork macht für die Booklets und so, der hat zuerst irgendeine männliche Person genommen und dann habe ich gesagt „Hey, was soll das? Da oben steht ganz groß Herman Frank drüber. Und hinter dem Albumtitel stehe ich wirklich, weil ich Lügen hasse. Also ich finde man kann jemandem ruhig mal ins Gesicht sagen, wenn irgendwas faul ist, man muss nicht lange rum lügen. Und dann dachte ich „Du, so brüllen wie ich kann kaum ein anderer, ich mach das“. Nachdem die Plattenfirma mir dann 200.000 Euro geboten hat, war es klar, ich war jung und brauchte das Geld. (lacht)

MM: Wenn ich mal ganz direkt fragen darf: Ist das bei deinem Soloprojekt denn so, dass alle Ideen aus deiner Vorstellungskraft stammen oder arbeiten deine Mitmusiker da mit dran?

Herman: Also die Grundideen sind wirklich von mir. Ich schicke das Material raus und die Demos, die ich dann an Rick, Mülli, den Bassisten oder den Schlagzeuger schicke, sind schon ziemlich gut ausgearbeitet. Es ist natürlich klar, dass Rick der Spezialist an den Vocals ist und er setzt dann Gott sei Dank noch einen oben drauf. Er sagt dann: „Ok, Herman, ich verstehe was du meinst. Aber ich glaube wir sollten das ein bisschen verbessern.“ Er drückt sich immer ganz lieb und nett aus, aber es ist klar, dass er mit seinem Stimmumfang und seiner Stimme das natürlich noch etwas verfeinert. Da kommt schon die eine oder andere Idee von ihm, ganz klar, dazu. 

MM: Das könnte daran liegen, dass er Frontmann ist!?

Herman: So soll es ja auch sein. Aber die Arrangements oder die Grundstruktur der Songs, da ist natürlich klar, dass das vom Gitarristen kommt.

MM: Prima. Du hast es ja eben schon angeschnitten, du hast bis jetzt drei Singles, inklusive Musikvideos, ausgekoppelt. Die jüngste Single ist „Teutonic Order“, die heute rausgekommen ist. Und die Frage ist jetzt, wie ist das denn in der Produktion gelaufen? Man hört ja oft, dass es hier und da immer mal wieder Schwierigkeiten wegen der Beschränkungen gibt. Wie ist das bei euch gelaufen?

Herman: Es war für uns schon schwer, genauso wie für alle anderen auch. Also bei den Vorgängeralben hatten wir ja zumindest die Chance, die Songs noch zwei- / dreimal vorher zu proben. Dieses Mal ging das nicht, das hieß bessere Planung. Viel mehr telefonieren, viel mehr Facetime, viel mehr Zoom, viel mehr Skype und viel mehr Missverständnisse. Und ein Berg an Organisation „Wann hast du Zeit? Wann könnt ihr alle drei?“ und das war eigentlich das größere Problem. Nachdem wir schon ein paar Alben zusammen gemacht haben, war es von der Erwartungshaltung klar.

Man nimmt sich dann halt jeden Einzelnen vor und arbeitet den entsprechenden Part dann aus. Ich konnte dieses Mal nicht nach Schweden fahren, sonst fahre ich immer hoch für eine Woche oder zwei und arbeite mit Rick dann die Endvocals aus. Das musste dieses Mal über Internet passieren. War lustig, aber das nächste Mal mache ich es wieder anders. Aber mit Kevin, dem Trommler ging das dann während der Aufnahmen. Der saß alleine im Aufnahmeraum und ich saß mit dem Engineer hinten in der Regie. Ich hatte meine Gitarren vorher schon so vorbereitet, dass er dann gut dazu spielen konnte. Eigentlich war das fast so ein Prozess, wie sonst auch. Es passiert sonst auch nicht viel anders, weil ich es gerne so mache, dass ich ein Instrument nach dem anderen aufnehme, wenn klar ist, was jeder spielen soll. Man muss nur wissen, was am Ende rauskommt.

Und genauso habe ich es mit Mülli gemacht, also mit dem Bassisten und das hat wunderbar funktioniert. Es ist halt nur eine etwas doofe Situation, dass immer nur einer da ist. Aber man überlebt es und im Gegensatz zu dem, was man sich sonst einfangen könnte, ist das auf jeden Fall die bessere Lösung gewesen.

MM: Hast du denn bestimmte Kriterien, nach denen du vorgehst, wenn du Songs auswählst für Musikvideos?

Herman: Schwierige Frage… Wegen mir könnten es zehn Videos werden. Also das zeigt jetzt, dass es wirklich schwierig ist, sich da auf eins zu versteifen. Da hält man dann Rücksprache mit der Plattenfirma, unterhält sich mit seinen Bandkollegen, aber dieses Mal waren wir uns alle relativ einig, dass „Teutonic Order“ das Musikvideo werden sollte. Ich empfinde den Song als beispielhaft für das Album und als einer der stärksten Titel. Wobei man als Künstler schwer sagen kann, das eine Lied find ich jetzt besser als das andere. Das ist fast unmöglich. Aber ich finde, dass das einer der stärksten Songs auf der Platte ist.

MM: Der leitet die Platte ja auch wunderbar ein und gibt quasi die komplette Richtung vor, sodass der Hörer direkt weiß, was ihn auf dem Album erwartet.

Herman: Ja, die Richtung heißt einfach 1, 2, 3, 4 vorzählen, anfangen und wenn wir Glück haben, hören wir zusammen auf. Da ist es so, wie bei Ben Hour, wenn die Pferde erstmal los sind, ist es schwer die zu zügeln.

MM: Das ist ein schöner Vergleich.

Herman: Ja, aber der stimmt schon. Jetzt bei der Besetzung, die ich jetzt habe. Die steckt so voller Feuer. Das merkt man auch bei den Aufnahmen. Wir versuchen immer einen Song so aufnehmen, dass man die Energie eines Live Konzerts einfängt. Das ist das wonach ich suchen will, wonach ich suche und wonach viele Bands vielleicht suchen. Vielleicht machen es viele, dass sie etwas einfach überproduzieren und zuviel rausnehmen. Und ich lass dann halt auch mal fünf gerade sein und wenn da ein bisschen was wackelt, dann wackelt es halt ein bisschen. Aber solange die Power rüberkommt, ist alles gut.

MM: Das macht das Ganze dann ja auch mega authentisch und das hört man bei euren Platten auch.

Herman: Genau, authentisch war genau das Wort, was ich gesucht habe.

MM: Du hast ja „Two For A Lie“ auch selbst produziert mit deinem Co Produzenten Arne Neurand zusammen. Würdest du sagen, dass ein Album zu produzieren UND die Gitarre einzuspielen herausfordernder ist, als „nur“ die Saiten anzuschlagen?

Herman: Ich hätte gerne einen Superproduzenten neben mir. Leider hatte der Andy Sweep keine Zeit, der hat gesagt „der nächste Termin, den ich dir anbieten kann, ist in 1 ½ Jahren“. Der ist leider ausgebucht. Aber ich habe mit Arne einen wunderbaren Partner gefunden. Er ist selber Schlagzeuger, kann Gitarre spielen, kann Bass spielen, er ist ein Wahnsinns Sound Engineer. Ich stehe drauf, dass er auch sagt „Herman, ich würde das nochmal spielen, das ist nicht das Format, was man von dir gewohnt ist“. Der sagt auch „Pass auf, spiel mal das Solo nochmal, das ist noch lange nicht das, was du kannst“. Man muss halt eine gewisse Vertrauensbasis finden und Gott sei Dank habe ich das mit ihm und das hilft dann natürlich ganz arg. Noch dazu ist das Horus Sound Studio auch in Hannover, hat eine endlos lange Geschichte, ich habe früher schon ein paar Alben darin aufgenommen, hab selber als Engineer Producer in dem Studio gearbeitet – ideale Situation. Also es tut mir dann sehr leid, Andy Sweep, aber ich habe dir Chance gegeben (lacht).

MM: Du bist ja eben schon kurz auf das Thema Besetzung zu sprechen gekommen. Mit Rick Altzi und Michael Müller hast du ja auch schon bei deinen Vorgängeralben zusammen gearbeitet. Wie ist es jetzt zu der Zusammenarbeit mit Mike Pesin und Kevin Kott gekommen?

Herman: Irgendwann kam die Situation, dass Andreas zu Bonfire wollte, der wollte andere Projekte machen. Leute, die ziehen wollen, soll man nicht aufhalten. Bei Heiko war es ein bisschen anders, der hat ein Angebot von der Stadt bekommen und er könnte da für Entertainment und Veranstaltungen für die Stadt was machen und der hat dann gesagt „Herman, ich muss einfach mal gucken, nehme ich jetzt die Abbiegung links oder rechts“ Und ich sag „hey, ich verstehe, wenn du links nimmst“ und er sagte dann „ja, ist vielleicht ganz gut, mein Konto schreit auch danach“. Und dann war die Situation da, dass ich zwei neue Musiker brauchte. Mike kannte ich, weil ich seine Band produziert habe vor… bestimmt zehn Jahren. Und seitdem habe ich den Mann nicht aus den Augen verloren, weil er mir damals schon aufgefallen ist. Er ist ein sehr talentierter Gitarrist, ein supernetter Kerl. Und dann habe ich ihn einfach gefragt und er hat sich geehrt gefühlt. Und dann haben wir uns in meinem Studio getroffen, er kommt auch aus Hannover, und sein Gitarrenspiel zu meinem hat von Anfang an super gut gematcht. Da war also klar, dass ich den nehme.

Und den Kevin kannte ich schon von verschiedenen Produktionen verschiedener Bands, in denen er spielt. Dann hatte Rick den auch erwähnt und ich habe gesagt „Mensch, ich ruf den einfach an“. Und wie sein Name schon sagt, er war allein zu Hause. Und da dachte ich „Mensch, der arme Kerl, da muss man was gegen tun“. Damit der Kevin nicht alleine Zuhause sitzt und vergessen wird. Und er war mehr als stolz, dass er das Album spielen durfte und ich habe den richtigen Riecher gehabt. Der hat so reingehauen! Also er verdient wirklich den Namen Schlagzeuger. Der haut richtig rein, hat Speed, hat Power, hat Energie und er hat ein tolles Ergebnis abgeliefert. Und er war froh, dass er nicht dauernd alleine Zuhause war (lacht).

MM: Sag mal, nach guten 40 Jahren im Musikgeschäft hast du ja verschiedene Phasen durchlaufen. Als Produzent, als Gitarrist in diversen Bands, unter anderem ja auch bei Accept und Victory und nun bist du ja seit guten 12 Jahren mit deinem Soloprojekt unterwegs. Was sind deiner Meinung nach die nennenswertesten Unterschiede zwischen einem Soloprojekt und dem Musik Machen in einer Band mit fester Besetzung?

Herman: Der große Vorteil ist, dass ich, auf den Punkt gebracht, machen kann, was ich will. Und das ist eine super Luxussituation, wenn man die Erfahrung als Producer / als Engineer hat, um das Album dann auch selbst aufzunehmen. Und das ganz tolle ist, dass man sich die Leute suchen kann, die man möchte und die zu dem Projekt passen. Es ist ja jetzt eigentlich auch kein Soloprojekt mehr. Rick ist schon lange dabei, Mülli ist seit Ewigkeiten dabei und man hätte es auch „Der grüne Drache von Tokyo“ nennen können, dann wäre es eine Band gewesen und so haben mir damals die Leute geraten „Sag mal, du bist verantwortlich für das ganze Ding, du bist der Fels in der Brandung, benenne das nach deinem Namen“. Ob das jetzt richtig oder falsch war, sei mal dahingestellt. Mittlerweile ist es auch egal. Aber, wenn ich will, bin ich der einzige Koch. Und manchmal ist es ganz gut, wenn nur einer kocht.

MM: Ja gut, zuviele Köche verderben ja auch bekanntlich den Brei.

Herman: …Jjjjaaa… und zuviele Egos können auch nicht kochen. Jetzt stell dir mal vor, du wärst verheiratet mit nicht nur einem Partner, sondern noch mit vier anderen. Im Prinzip ist eine Band dasselbe. Es sind fünf Leute, die zusammenhalten müssen, durch dick und dünn gehen… Da ist es wirklich eine Glückssache, wenn das alles so in Harmonie oder ohne Egoprobleme verläuft. Das ist schwer zu finden. Manche Bands haben einfach das Glück, dass sie so durch Jahrzehnte durchgehen – super! Also die kann man nur beneiden.

MM: Das ist aber wahrscheinlich nicht der Normalfall, weil sich die einzelnen Personen und die verschiedenen Charaktere ja auch weiterentwickeln…

Herman: Ganz klar. Das hast du ganz richtig gesagt. Jeder Mensch entwickelt sich weiter und vor allem Künstler, also gerade Musiker, suchen die Möglichkeit sich immer besser, immer eigenständiger zu entwickeln. Und dass sich da natürlich auch Eigenarten entwickeln, ist auch klar. Ich glaub, ich hatte auch mal die eine oder andere… ich wüsste zwar jetzt nicht welche (lacht)… Ich finde es aber prima beim Soloprojekt, dass man da die ganze Verantwortung auf sich selbst nimmt. Dafür muss man natürlich das Rückgrat haben, das kann ich klar sagen. Aber das bin ich gewohnt und kann so wirklich die Musik machen, die ich in meinem Herzen trage. Ich habe immer noch Spaß daran, ich würde immer noch am liebsten jeden Tag live auf einer Bühne stehen und alle halbe Jahre ein neues Album raus bringen, aber leider kommen die anderen nicht ganz mit. Man muss immer Rücksicht auf andere nehmen, schade.

MM: Das ist eine schöne Brücke zur nächsten Frage. Es ist ja wirklich so, dass du musikalisch mit deinem Soloprojekt deutlich härtere Geschützte auffährst, als mit den Bands, in denen du damals gespielt hast…

Herman: …finde ich gar nicht so…

MM: …naa… die Kollegen und ich waren uns ziemlich einig, dass wir Herman Frank Solo als deutlich härter einstufen würden, als das, was du damals zum Beispiel mit Victory oder Accept gemacht hast.

Herman: Ja, aber das sind ja auch ganz verschiedene Bands.

MM: Das stimmt. Und die Frage ist jetzt: War das schon immer ein Wunsch von dir musikalisch etwas härtere Geschütze aufzufahren oder waren das bestimmte Einflüsse im Laufe deiner Karriere als Musiker?

Herman: Mit Sicherheit waren das bestimmte Einflüsse. Man entwickelt sich und scheinbar schlägt mehr als ein Herz in meiner Brust. Ich habe nämlich jetzt ganz nebenbei auch das neue Victory Album fertig gemacht, da bin ich gerade am Mischen und ich denke mal, dass wir in zwei Wochen soweit sind, dass es dann fertig ist. Aber das ist nicht so hart.

Also ich mache so viel verschiedene Musik, von der viele nichts wissen. Ich habe zum Beispiel jetzt mit meiner Frau ein Akustikalbum fertig gemacht, sie singt sehr gut und spielt wunderbar Gitarre und hat tolle Songs gemacht. Das habe ich einfach produziert. Da habe ich auch Spaß dran. Ich habe auch früher zwölf Jahre Geige gespielt.

MM: Das kann man sich jetzt, wenn man sich dein neues Album anhört, gar nicht vorstellen.

Herman: Doch. Ich habe auch mal, und das war das abgefahrenste, was ich als Produzent gemacht habe, bei einer Tanzveranstaltung produziert. Da gibt es verschiedene Lieder in einem bestimmten Tempo, zum Beispiel Tango oder Walzer und da habe ich auch eine Platte mit produziert.

MM: Wow! Da merkt man einfach: Du bist durch und durch Musiker, mit Leib und Seele.

Herman: Eigentlich ja, ich mag jede Art von Musik. Von mancher kann ich mir 2 Songs anhören, von mancher 3, von mancher nicht so viel. Und bei mancher Musik könnte ich den ganzen Tag lang zuhören. Aber ich stehe einfach auf Musik, die toll gemacht ist, und bei der die Künstler dann auftreten oder mitwirken. Find ich toll!

MM: Als Produzent hörst du dann wahrscheinlich auch noch mal ganz anders hin, oder? Du hast dann ja ein ganz anderes Ohr für Musik.

Herman: Leider. Wenn man über 10 Jahre mit Musik zu tun hat, hört man, wie du schon sagst, leider oft ganz anders hin. Manchmal würde ich mir wünschen es kommt aus einem Stereo System, aus einem Plattenspieler, aus den Boxen und man freut sich einfach nur. Aber ich erwische mich immer wieder bei „wie haben die das und das gemacht? Was für ein Schlagzeug ist da drauf? Und welcher Sound ist das?“ Das ist ein bisschen doof. Das ist, wie wenn der Metzger Zuhause Wurst isst.

MM: Ja, da kommt dann der Fachmann durch, oder?

Herman: Ja, das kann man nicht abstellen, aber ich freu mich letztenendes immer über toll gemachte Musik.

MM: Prima. Balladen: Sind auf „Two For A Lie“ nicht zu finden. Habt ihr die bewusst ausgeklammert oder hat es sich einfach nicht ergeben eine Ballade für das Album aufzunehmen?

Herman: Das hat sich einfach nicht ergeben. Ich finde, wenn man mit Herman Frank eine Ballade macht, dann muss sie auch dazu passen. Und ich habe in meiner Laufbahn schon ein paar Balladen geschrieben, so vier bis fünf. Also es gibt schon ein paar. Aber ich betrachte eine Ballade als etwas ganz besonderes und wenn ich da nicht DIE Idee für mich habe, dann möchte ich das auch nicht machen. So eine halbherzige Ballade, wie teilweise bei Bonfire möchte ich nicht haben. Sorry Guys, aber es gibt so ein paar Bands, bei denen ich denke „es wäre besser, ihr hättet das nicht gemacht“.

MM: Zum Abschluss noch eine ganz, ganz simple Frage: „Two For A Lie“ wird ja auch als Vinyl erscheinen und jetzt die Frage an dich: Bist du ein Freund von dem Format?

Herman: Ja, definitiv. Ich weiß gar nicht, wann ich meine erste Vinyl bekommen habe, beziehungsweise selbst gekauft habe. Es ist unendlich lange her. Da war ich 13 oder 14, also es war doch schon nach´m Krieg und es war von Uriah Heep „Very ´eavy … very ´umble“. Die kennt fast keiner mehr. Und die nächste Platte war von den Kings, die kennt auch keiner mehr. Und ich hatte auch von Van Halen die Erste auf Langspielplatte. Das waren damals die Plattenspieler, da konnte man den Deckel abnehmen und da war die Box oder zwei. Also ich bin absoluter Fan davon. Es macht immer noch am meisten Spaß, wenn man aus einer großen Hülle, die man dann auch anfassen kann, die Platte rausholt. Man fässt sie vorsichtig an, reinigt die Nadel und legt dann diese Nadel auf und hofft, dass man die Wellen trifft, damit man nicht unnötigen Noise macht. Und das klingt immer noch am Besten. Ich find´s toll!

MM: Das ist ja auch nochmal ein ganz anderes Musikerlebnis, als stumpf auf Play zu drücken.

Herman: Man ist schonmal gezwungen, dass man vor der Stereoanlage sitzt und es klingt einfach nochmal ganz anders, als wenn man´s nur durchs iPhone oder Cellphone oder Handy hört oder durch irgendwelche Mini-Computerboxen. Und man sitzt davor und hat dieses Cover in der Hand, guckt sich die Bilder und das Plattencover an und kann dann lesen, was die dazu geschrieben haben. Die Texte kann man ordentlich lesen und auch die Credits: wer hat da mitgewirkt, was hat jeder gespielt, was denken die sich, wem danken die? Fand ich viel besser. Und dann hat man da seine 40 Minuten davorgesessen und danach dann wahrscheinlich gleich nochmal von vorne angefangen. Das war ein ganz anderes Feeling.

MM: Ja, aber die haben ja auch so ein bisschen Comeback jetzt. Viele Leute fangen ja wieder gezielt an Vinyl zu sammeln.

Herman: Ja, aber leider nur noch ein zwanzigstel oder ein fünfzigstel von dem, was es mal war. Ich glaube einfach, dass den meisten gar nicht bewusst ist, was ihnen entgeht. Es war Wahnsinn, als man damals noch im Plattenladen war und in diesen Regalen eine LP nach der anderen umgeklappt hat, um zu sehen, was es da alles gibt. Man hat sich halt auch richtig auf neue Veröffentlichungen gefreut, schon Wochen vorher gewartet und ist dann in den Laden gerannt und hat nicht nur dumm auf bestellen geklickt. Es war ganz anders. Und auch heute, wenn ich Schuhe kaufe, dann kauf ich sie im Laden. Aber es ist schade, dass den Leuten nicht bewusst ist, was ihnen entgeht. Selber Schuld.

MM: Ja, selber Schuld ist gut gesagt. Prima, dann vielen, vielen Dank für´s Interview und ganz viel Spaß mit „Two For A Lie“!

Von Sylvi

Mit Musik verheiratet seit 1988. Favourite Genres: Heavy Metal, Alternative Metal, Neue Deutsche Härte